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Hinter allem, was im weltall geschieht, steht Gott durch seine Schakti, doch ist er von seiner Joga-Maja verschleiert und arbeitet in der niederen natur durch das ich des einzelnen.
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Gespräche 1929 26 Mai 1929 - Die Mutter Wenn unser Wille nur Ausdruck oder Widerhall des Allwillens ist, wo ist dann noch Platz für persönliche Initiative ? Ist der einzelne bloß Instrument, um die Allregungen zu verzeichnen ? Hat er gar keine schöpferische Gewalt ? Es kommt auf die Bewusstseinsebene an, von der aus ihr betrachtet und sprecht, oder auf den Teil eures Wesens, aus dem ihr handelt. Von einer gewissen Bewusstseinsstufe aus gesehen, erscheint der Einzelne nicht bloß als verzeichnendes Instrument, sondern als Schöpfer. Schaut ihr von einer anderen und höheren Ebene aus, so erkennt ihr, dass der Anschein trügt. Alles, was im Verlauf der Welt geschieht, ist das Ergebnis von allem Vorangegangenen. Wie wollt ihr ein Wesen vom gesamten Spiel der Bewegungen trennen, oder eine Bewegung von der Gesamtheit der Bewegungen ? Wohin setzt ihr den Ursprung, den Anfang von etwas ? Das Spiel in seiner Gesamtheit ist eine lückenlose Kette, jedes Glied ist unmerklich ans nächste gefügt. Nichts kann aus der Kette herausgenommen und für sich erklärt werden, als wäre es ein Anfang oder ein Ausgangspunkt. Und was soll das heißen, der einzelne schaffe oder erzeuge eine Regung selbst? Schöpft er sie ganz aus sich oder gewissermaßen aus dem Nichts ? Wäre ein Wesen fähig, derart einen Gedanken, ein Gefühl, eine Tat oder sonst irgend etwas zu schaffen, so wäre es der Schöpfer der Welt! Nur wenn der Einzelne in seinem Bewusstsein zurücksteigt in das größere Bewusstsein, den Ursprung aller Dinge, kann er Schöpfer werden; er kann eine Regung nur erzeugen, indem er mit der bewussten Macht eins wird, die der letztliche Quell aller Regungen ist. Es gibt viele Bewusstseinsebenen, und die Gesetzmäßigkeit der einen ist nicht die einer anderen. Wenn ihr nun vom einzelnen als Schöpfer sprecht, an welchen Teil von ihm denkt ihr da ? Denn er ist sehr vielfältig. Meint ihr sein seelisches Wesen, seinen Geist, sein Vitales oder seinen Körper ? Zwischen dem unsichtbaren Ursprung einer Regung und ihrer Offenbarung, ihrem Ausdruck durch den einzelnen, befinden sich alle diese Stufen und noch viele mehr; und auf jeder treten Entstellungen und Abweichungen auf. Und dies erweckt den Eindruck einer Neuschöpfung aus frischer Quelle, eines ersten Anfangs einer Bewegung. Das ist ungefähr so, wie wenn ihr einen Stock zum Teil unter Wasser haltet; ihr seht nicht seine wirkliche Linie, sondern eine Abwinkelung. Doch das ist eine Täuschung, eine Verzerrung der Sicht; der Winkel ist nur scheinbar. Ihr könnt natürlich sagen, dass jedes individuelle Bewusstsein zur universalen Bewegung etwas beiträgt, das man von einem gewissen Gesichtspunkt aus seine eigene Entstellung nennen könnte, aus einem anderen Blickwinkel seine eigene Bewegungsweise. Diese persönlichen Eigenschaften haben am Spiel der göttlichen Bewegung teil; ihren Ursprung haben sie nicht aus sich: sie sind Spielarten von Dingen, deren Ursprung man in der Gesamtheit der Welt suchen muss. Überall ist das Gefühl der Getrenntheit verbreitet, doch das ist eine Täuschung, eine dieser falschen Einstellungen des Geistes, die wir berichtigen müssen, wenn wir in das wahre Bewusstsein eintreten wollen. Der Verstand unterteilt die Welt in kleine Stücke und sagt: „Dies ist hier zuende, jenes beginnt dort", und mit dieser Zerstückelung gelingt es ihm. die Allbewegung zu entstellen. Da ist der große Strom eines allumfassenden, allenthaltenden Bewusstseins, das sich in einer sich ständig entfaltenden Welt offenbart. Dies ist die Wahrheit hinter allem, aber es gibt auch diese Täuschung, die euch die Wahrheit verstellt, die Täuschung all dieser Einzelbewegungen, die wähnen, voneinander getrennt zu sein und durch sich, in sich und für sich zu bestehen, als etwas Selbständiges abseits von der übrigen Welt. Sie meinen, ihr Wirken und ihre gegenseitigen Rückwirkungen seien äußerlich, sie selbst verschiedene einander gegenüberstehende Welten ohne Berührungspunkte außer einigen fernen, oberflächlichen Beziehungen. Jedermann hält sich für eine gesonderte Persönlichkeit, die aus eigenem Recht besteht. Dies irrtümliche Gefühl des Getrenntseins ist als Teil des Allspiels erlaubt worden, weil es nötig war, dass das Eine Bewusstsein sich vergegenständliche und seine Formen festige. Doch daraus, dass es in der Vergangenheit erlaubt worden ist, folgt nicht, dass die Täuschung der Trennung immer weiterbestehen müsse. Die meisten sind in diesem Allspiel unwissende Instrumente, die wie Marionetten in Bewegung gesetzt werden. Andere sind bewusst und spielen ihre Rolle in dem Wissen, dass es ein Spiel ist. Und einige, die das volle Bewusstsein der Allbewegung haben und eins mit ihr und auch mit dem göttlichen Bewusstsein sind, willigen dennoch zu handeln ein, als wären sie etwas Gesondertes, Bruchstücke vom Ganzen. Es gibt viele Übergangsstufen zwischen dem Unwissen und diesem vollen Bewusstsein, vielerlei Weisen, am Spiel teilzunehmen. Es gibt einen Zustand des Unwissens, in dem ihr etwas tut im Wahn, ihr selbst hättet es beschlossen. Es gibt einen Zustand geringeren Unwissens, in dem ihr etwas in der Erkenntnis tut, dass ihr dazu gedrängt werdet, wenn ihr auch nicht wisst wie und warum. Und es gibt auch einen Zustand der Bewusstheit, in dem ihr voll erweckt seid, denn ihr wisst, was durch euch handelt, ihr wisst, dass ihr ein Werkzeug seid, ihr wisst, warum und wie euer Handeln geschieht, ihr kennt den Vorgang und den Beweggrund. Der Zustand des Unwissens, in dem ihr der Urheber eurer Handlung zu sein wähnt, hält so lange an, wie das für eure Entwicklung nötig ist. Seid ihr aber bereit, in einen höheren Zustand überzugehen, dann beginnt ihr wahrzunehmen, dass ihr ein Werkzeug des Einen Bewusstseins seid. Dann steigt ihr eine Sprosse weiter zu einer höheren Bewusstseinsebene hinauf. Wird man auf der geistigen Ebene von feindlichen Kräften ebenso angegriffen, wie auf der vitalen ? Es ist schwer, eine genaue Antwort zu geben, ohne sich auf eine Anzahl von Erklärungen einzulassen, was mir jetzt nicht möglich ist. Der Geist ist zwar eine einzige Bewegung, doch gibt es viele Arten darin, viele Schichten, die sich berühren und gegenseitig durchdringen. Umgekehrt greift auch die Bewegung, die wir Geist nennen, auf andere Ebenen über. In der geistigen Welt selbst gibt es zahlreiche Ebenen. All diese geistigen Gebiete und Kräfte hängen eng zusammen, doch besteht in der Eigenschaft ihrer Bewegungen ein Unterschied, und wir müssen sie auseinanderhalten, um uns besser verständlich zu machen. So sprechen wir vom höheren, mittleren, physischen und sogar vom völlig stofflichen Geist, und es ließen sich noch viele andere Unterscheidungen machen. Gewisse geistige Regionen befinden sich hoch über der vitalen Welt und entgehen deren Einfluss. Man trifft da keine feindlichen Kräfte und Wesen. Aber es gibt andere, viele andere, die von ihnen berührt und durchdrungen werden können. Die Geistebene, die zur physischen Welt gehört (was wir für gewöhnlich „physischen Geist" nennen), ist in ihrer Beschaffenheit und Bewegung stofflicher als der eigentliche Geist, und sie steht weitgehend unter der Herrschaft der vitalen Welt und der feindlichen Kräfte. Im allgemeinen ist dieser physische Geist irgendwie verbündet mit dem niederen Vitalen und seinen Regungen; sobald dies Wünsche und Impulse bekundet, kommt ihm der stofflichste Geist zu Hilfe und rechtfertigt sie mit Vorwänden, Entschuldigungen und Vernünfteleien. Dieser Teil des Geistes ist den Einflüsterungen der vitalen Welt am meisten geöffnet und wird am häufigsten von den Widersachern überfallen. Wir haben in uns aber auch einen höheren Geist, der sich im Bereich unbefangener Gedanken und leuchtender Spekulationen bewegt und der die Formen hervorbringt; dieser ist kein Helfershelfer der vitalen Impulse. Und noch weiter oben befindet sich der Geist der reinen Ideen, vor ihrer Formgebung; hier findet sich keine Spur von Einfluss der vitalen Regungen und gegnerischen Kräfte, weil er sich hoch darüber hält. Es kann da zwar widersprüchliche Regungen geben, die mit der Wahrheit nicht übereinstimmen oder einander widerstreiten, aber keine vitale Wirrsal, nichts eigentlich Feindliches. Die wahrhaft philosophische Geistigkeit, die ausschließlich mit Denken, Forschen und Gestalten beschäftigt ist, und auch der Geist der reinen Ideen jenseits aller Gestalt befinden sich außer Reichweite der niederen Welten und deren Einfluss. Daraus darf man jedoch nicht schließen, dass die Regungen dieser geistigen Regionen nicht nachgeahmt oder mit ihren Schöpfungen kein Missbrauch getrieben werden könne durch perverse und feindliche Wesen von größerem Machtbereich und höherem Ursprung als alle, von denen ich bis jetzt gesprochen habe. Wie verhält es sich mit der seelischen Welt ? Welches ist ihre Lage den feindlichen Kräften gegenüber ? Die Welt oder Ebene des seelischen Bewusstseins ist jener Teil der Welt, und das seelische Wesen jener Teil unsres Wesens, der unmittelbar unter dem Einfluss des göttlichen Bewusstseins steht; die feindlichen Kräfte haben nicht den geringsten Einfluss auf sie. Sie ist eine Welt der Harmonie, und alles in ihr entfaltet sich von Helligkeit zu Helligkeit und von Fortschritt zu Fortschritt. Sie ist die Wohnung des göttlichen Bewusstseins, des göttlichen Selbstes im Einzelwesen. Sie ist ein Mittelpunkt von Licht, Wahrheit, Wissen und Schönheit, die das göttliche Selbst durch seine Gegenwart in jedem von uns allmählich erschafft; beeinflusst, geformt und bewegt wird sie vom göttlichen Bewusstsein, von dem sie ein Bestandteil ist. In jedem ist sie das innere Wesen, das ihr suchen müsst, um mit dem Göttlichen in euch in Fühlung zu kommen. Es ist der Mittler zwischen dem göttlichen Bewusstsein und dem gewöhnlichen; in der äußeren Natur offenbart es Ordnung und Gesetz des göttlichen Willens. Wenn euer Außenbewusstsein der Gegenwart des seelischen Wesens in euch innewird und sich ihm eint, dann könnt ihr das reine ewige Bewusstsein entdecken und in ihm leben. Statt, wie es bei den Menschen stets der Fall ist, vom Unwissen bewegt zu werden, werdet ihr der Gegenwart eines ewigen Lichts und Wissens in euch bewusst, und ihm überantwortet und weiht ihr euch ganzheitlich, um es in allem auszudrücken. Denn das seelische Wesen ist der Teil in euch, der dem Göttlichen schon gegeben ist. Und indem sich sein Einfluss nach und nach von innen nach außen auf die stofflichsten Grenzen eures Bewusstseins zu verbreitet, wird es die Umwandlung eurer ganzen Natur bewirken. Die meisten sind sich der Seele in ihnen nicht bewusst; der Joga sucht euch ihrer bewusst zu machen, damit der Vorgang der Umwandlung, statt sich mühselig über Jahrhunderte hinzuziehen, in ein einziges Leben oder sogar in ein paar Jahre zusammengefasst werden kann. Das seelische Wesen ist es, was den Tod überdauert, denn es ist das unsterbliche Selbst, es führt das Bewusstsein von Leben zu Leben weiter. Das seelische Wesen hat die wahre Individualität des eigentlichen Individuums in euch; denn Individualität heißt eine jedem eigentümliche Ausdrucksweise, und euer seelisches Wesen ist einer der zahllosen Aspekte des einzigen Göttlichen Bewusstseins, das in euch Form angenommen hat. Doch für das seelische Bewusstsein gibt es nicht dies Gefühl der Trennung zwischen dem Einzelnen und dem Allheitlichen wie für die anderen Teile eurer Natur. Darin wisst ihr, dass das Einzelsein eure eigene Ausdruckslinie ist, doch erkennt ihr zugleich, dass dieser Ausdruck nur eine Vergegenständlichung des Einen Allbewusstseins ist. Es ist, als hättet ihr einen Teil eurer selbst aus euch herausgenommen und euch gegenübergestellt, um zwischen den beiden einen Austausch des Blicks und des Spiels zu ermöglichen. Diese Zweiheit war nötig, um eine objektive Bewegung herzustellen und sie zu genießen; aber für das seelische Wesen ist die Trennung, die die Zweiheit verschärft, nur eine Täuschung, ein Anschein und nichts weiter. Gibt es einen Unterschied zwischen dem „Spirtlichen" und dem ,,Seelischen" ? Sind es zwei verschiedene Ebenen ? Ja. Die seelische Ebene gehört zur persönlichen Offenbarung, das Seelische ist der göttliche Teil des Einzelwesens, die ins Spiel geworfene Dynamik. Sprechen wir hingegen vom Spirtlichen, so meinen wir etwas, das eher im Göttlichen als in der äußeren Offenbarung gesammelt ist. Die spirtliche Ebene ist statisch und hält sich hinter und über dem Allspiel; sie unterstützt die Instrumente der Natur, ist aber nicht selbst in der äußeren Offenbarung eingeschlossen und darin versunken. Doch wenn wir von diesen Dingen reden, müssen wir achtgeben, uns von den gebrauchten Wörtern nicht festlegen zu lassen. Spreche ich vom Seelischen oder vom Spirtlichen, so meine ich Dinge, die hinter der Oberfläche der Wörter tief wirklich und auch in ihrem Unterschied innig miteinander verbunden sind. Die intellektuellen Definitionen und Unterscheidungen sind zu oberflächlich und starr, um die gesamte Wahrheit der Dinge zu fassen. Und dennoch ist es fast unerlässlich, sofern man nicht miteinander sehr vertraut ist, den Sinn der gebrauchten Wörter zu umgrenzen, um sich verständlich zu machen. Die ideale Voraussetzung für ein Gespräch ist ein so guter Einklang zwischen den Geisten, dass das Gesprochene einem spontanen gegenseitigen Verstehen nur als Stütze dient; dadurch wird es überflüssig, sich bei jedem Schritt erklären zu müssen. Das ist der Vorteil, wenn man immer mit denselben Personen spricht; man ist im Geist so aufeinander abgestimmt, dass die Bedeutung des Gesagten sogleich verstanden wird. Es gibt eine Welt der formlosen Ideen, und dort müsst ihr eintreten, wenn ihr erfassen wollt, was sich hinter den Wörtern befindet. Solange euer Verständnis auf Wortgebilden beruht, täuscht ihr euch leicht über deren wirkliche Bedeutung; könnt ihr euch aber im geistigen Schweigen bis zu der Welt erheben, von wo die Ideen kommen, um Form anzunehmen, so begreift ihr im Nu. Wollt ihr sicher sein, einander zu verstehen, so müsst ihr es im Schweigen können. Es kommt vor, dass zwei Geiste so vollkommen übereingestimmt sind, dass einer die Gedanken des anderen wahrnimmt, obgleich beide kein einziges Wort äußern. Ist dieser Einklang aber nicht vorhanden, so wird der Sinn eurer Worte stets entstellt, weil der Gesprächspartner das Gesagte durch seine eigene Art des Verstehens ersetzt. Ich gebe also einem Wort einen bestimmten Sinn oder eine bestimmte Nuance; ihr pflegt ihm einen anderen Sinn oder eine andere Nuance zu geben; dann versteht ihr natürlich nicht genau, was ich meine, sondern was das Wort für euch bedeutet. Das gilt nicht nur für das Hören, sondern auch für das Lesen. Um ein Buch mit tiefem Gehalt zu begreifen, muss man es in völligem Schweigen des Geistes lesen können; man muss warten und den Ausdruck tief in sich einsinken lassen bis in den Bereich des Wortlosen; von dort steigt er langsam wieder in das Außenbewusstsein und das Oberflächenverständnis auf. Wenn ihr die Worte in den äußeren Geist fallen lasst und meint, sie müssten sich miteinander einrichten, entgeht euch ihr wahrer Sinn und ihre Kraft völlig. Vollkommenes Verstehen kann es nur im Einssein mit dem ungeäußerten Geist hinter dem Ausdruckszentrum geben. Wir haben schon davon gesprochen, wie die einzelnen Geiste verschiedene voneinander getrennte Welten sind; jeder ist in sich selbst eingeschlossen, fast ohne direkte Berührungspunkte mit den anderen. Doch das ist der niedere Geist, wo man in seinen eigenen Prägungen gefangen ist; man kommt von ihnen nicht leichter los als von sich selbst, man versteht bloß sich selbst und seine eigenen Spiegelungen in den Dingen. Aber im höchsten Gebiet, auf den reinen Gipfeln des ungeäußerten Geistes, ist man frei; sobald man dorthin gelangt, kommt man von sich selber los und betritt die Ebene des Allgeistes, wo die Geisteswelt jedes einzelnen wie in ein einziges riesiges Meer getaucht ist. Dort könnt ihr völlig verstehen, was im anderen vorgeht, oder in seinem Geist lesen, als wärs euer eigener, weil keine Trennwand den einen Geist vom anderen scheidet. Erst wenn ihr mit den anderen in diesem Gebiet zusammenkommt, könnt ihr sie begreifen; sonst stimmt ihr nicht überein, habt keinen Kontakt, keine Möglichkeit, genau zu erkennen, was in einem anderen Geist als dem euren vorgeht. Wenn ihr jemandem gegenübersteht, wisst ihr meistens überhaupt nicht, was er denkt und fühlt; seid ihr aber imstande, über die oberflächliche Ausdrucksebene hinauszugehen und eine andere zu betreten, wo schweigende Gemeinschaft möglich ist, so könnt ihr einer im anderen lesen wie in euch selbst. Dann kommt es auf die Wörter, mit denen ihr euch ausdrückt, nur noch sehr wenig an, weil das volle Verständnis sich dahinter in etwas anderem findet, und ein Minimum von Worten genügt, eure Absicht klarzumachen. Lange Erklärungen sind nicht mehr nötig; ihr braucht einem Gedanken nicht mehr seinen vollständigen Ausdruck zu verleihen, weil ihr die direkte Schau habt von dem, was er bezeichnet. Wird eine Zeit kommen, wo es keine Widersacher mehr gibt ? Wenn ihre Anwesenheit in der Welt von keinem Nutzen mehr sein wird, verschwinden sie. Ihr Wirken dient als Prüfung, damit bei dem Werk der Umwandlung nichts vergessen, nichts übergangen werde. Diese Widersacher lassen keinen Irrtum durch. Habt ihr in eurem eigenen Wesen etwas übersehen, und sei es auch nur eine winzige Kleinigkeit, dann rühren sie an die vernachlässigte Stelle, bis sie so schmerzhaft offenbar wird, dass ihr euch gezwungen seht sie zu ändern. Wenn sie für diesen Prozess nicht mehr nötig sind, wird ihre Existenz überflüssig und hört auf. Sie dürfen hier fortdauern, weil sie für das Große Werk gebraucht werden; sobald sie entbehrlich sind, müssen sie sich ändern oder verschwinden. Wird es lange dauern, bis es so weit ist ? Das kommt auf den Gesichtspunkt an. Denn die Zeit ist relativ; ihr könnt aus dem normalmenschlichen Blickwinkel von ihr sprechen oder aus dem tieferen eines innerlichen Bewusstseins, oder von oben aus der göttlichen Sicht. Wenn ihr mit dem göttlichen Bewusstsein eins seid, kommt es sehr wenig darauf an, ob das zu Verwirklichende nach Menschenberechnung Tausende von Jahren oder nur ein Jahr erfordert; denn dann habt ihr die Dinge der menschlichen Natur hinter euch gelassen und seid in das Unendliche und Ewige der göttlichen Natur eingetreten. Damit entkommt ihr diesem Gefühl äußerster Ungeduld, von dem die Menschen besessen sind, weil sie die Dinge erledigt sehen wollen. Betriebsamkeit, Eile und Unruhe führen nirgendwohin. Das ist Schaum auf dem Meer, viel Aufhebens, das nichts bewirkt. Die Menschen haben das Gefühl, dass sie nichts tun, wenn sie nicht immerfort überall herumrennen, sich in fieberhafte Tätigkeit stürzen, Gruppen, Gesellschaften und Bewegungen gründen. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass all diese sogenannten Bewegungen irgend etwas ändern. Das ist gerade so, wie wenn man in einem Wasserglas umrührt; das Wasser gerät in Bewegung, aber es verändert sich dadurch in keiner Weise. Diese Täuschung über das Tätigsein ist eine der größten Illusionen der menschlichen Natur. Sie schadet dem Fortschritt, weil sie einen ständig dazu treibt, sich stürmisch in irgendeine Unternehmung zu werfen. Wenn man doch nur das Täuschende, das Nutzlose von alledem einsehen würde, erkennen, dass nichts, aber auch gar nichts verändert wird. Nirgends kann man auf diese Weise etwas vollbringen. Die derart hierhin und dorthin hasten, sind das Spielzeug von Kräften, die Spaß daran haben, sie tanzen zu lassen, und diese Kräfte sind sicher nicht von der besten Sorte. Alles, was auf der Welt getan worden ist, geht auf die kleine Anzahl jener zurück, die sich aus dem Betrieb heraushalten — im Schweigen; denn sie sind die Werkzeuge der göttlichen Macht und ihre dynamischen und bewussten Mittler; sie bringen die Kräfte herab, die die Welt umwandeln. Nur so werden die Dinge getan, nicht durch ruhelose Aktivität. Im Frieden, im Schweigen und in Ruhe ist die Welt erschaffen worden, und wann immer etwas wahrhaft zu erschaffen ist, muss es gleichfalls im Frieden, im Schweigen und in der Ruhe geschehen. Von großem Unwissen zeugt die Ansicht, man müsse vom Morgen bis zum Abend rastlos alle möglichen nichtigen Dinge betreiben, um etwas für die Welt zu vollbringen. Um das Ausmaß der Täuschung zu sehen genügt es, von diesen stürmischen Kräften einen Schritt Abstand zu nehmen und in die ruhigen Regionen einzutreten ! Von dort aus sieht die Menschheit wie eine Masse blinder Geschöpfe aus, die in alle Richtungen hetzen, ohne zu wissen, was sie tun und warum sie es tun, und ständig übereinander stolpern und zusammenstoßen. Und das nennen sie Tätigkeit und Leben ! Es ist bloß leere Betriebsamkeit, gewiss kein wirkliches Tätigsein und auch kein wahres Leben. Ich sagte einmal, man müsse, um nutzbringend zehn Minuten lang zu reden, zehn Tage lang ruhig bleiben. Ich könnte hinzufügen: um einen Tag lang nützlich zu handeln, muss man sich ein Jahr lang ruhig verhalten. Natürlich spreche ich nicht von den gewöhnlichen Verrichtungen des täglichen Lebens, denn die sind nötig, es aufrecht zu erhalten; ich spreche von Menschen, die für die Welt etwas zu tun haben oder meinen, etwas zu tun zu haben. Und das Schweigen, von dem ich spreche, ist die innere Gelassenheit, die nur jene haben, die handeln können, ohne sich mit ihrer Tätigkeit gleichzusetzen und sich in ihr zu verlieren, vom Lärm ihres eigenen Treibens betäubt und geblendet. Haltet euch über eurem Tun, steigt auf eine Höhe, die diese zeitlichen Bewegungen überragt; tretet in das Bewusstsein der Ewigkeit ein. Dann werdet ihr wissen, was wirkliches Handeln ist.
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